Chrom im Blut, London im Herzen
Manche Geschichten riechen nach Öl, andere nach Freiheit. Und dann gibt’s die, die beides mit einem kräftigen Schuss Persönlichkeit mischen – so wie die von Lenny. Geboren und aufgewachsen in Lüneburg, zog es sie vor knapp einem Jahrzehnt auf die Insel. Acht Jahre England, acht Jahre voller Lärm, Dreck, Leidenschaft – und verdammt viel Mopedkram. Jetzt ist sie zurück, aber der Sound von Dragpipes auf nassem Asphalt und der Geruch von Benzin im Morgengrauen – das alles hat sie nie losgelassen.
„Ich bin Lenny“, sagt sie mit einem Lächeln, das irgendwo zwischen schelmisch und entschlossen liegt. „Und ich bin durch Rob Halford zum Fahren gekommen.“ Rob Halford, der Sänger von Judas Priest. Kein Scherz. „Der Typ steht wie kein anderer für Leder, Bikes und kompromisslosen Rock. Genauso wie Lemmy. Wenn du deren Platten hörst, willst du entweder sofort ’ne Gitarre in die Hand nehmen – oder den Zündschlüssel drehen.“ Und genau das hat sie getan. In England geht das schnell, billig und unkompliziert. „Da hatte ich nicht viel zu verlieren“, meint sie lakonisch. Also Führerschein gemacht, Moped gekauft, losgefahren. Es begann mit einer Suzuki Intruder 125, gekauft von einer Bekannten. „Nix Besonderes, aber das erste Mal frei auf zwei Rädern – das ist wie ein Urknall im eigenen Kopf.“
Von der Not zur Berufung
Doch so richtig spannend wird’s, wenn man weiß, wie Lenny zur Schrauberei kam. Nicht durch romantisierte Schrauberträume oder einen Schraubenschlüssel vom Opa – sondern weil einfach keine Kohle da war. „Ich hatte die Intruder, aber dann hab ich mich in die Sporty verguckt – ’ne Harley Sportster 1200, Baujahr ’96. Komplett anderer Schnack. Aber mein Konto war leer, und ich wollte trotzdem umbauen. Also hab ich gefragt, ob ich irgendwo mithelfen kann – im Tausch gegen Wissen.“
So landete sie bei einem Mechaniker, dann bei Dirty Cats, einem Custom Shop mitten in London. „Ich war quasi Azubi – learning by doing. Hab beobachtet, gefragt, ausprobiert. Hab Schweißnähte gesehen, die Kunstwerke waren, und andere, die man besser vergessen sollte.“ Aber sie blieb dran. „Weil ich’s musste. Und weil ich’s lieben gelernt hab.“ Heute schraubt sie noch gelegentlich mit den Jungs von Dirty Cats, wenn sie in England ist. „Wir planen, da wieder mehr draus zu machen. Das ist noch nicht vorbei.“
Ein Bike, viele Geschichten
Ihre Sporty – das ist kein Hochglanzobjekt. Das ist ein rollender Charakter. „Ich hab sie in London gekauft, sie war schon ziemlich wild. Dragpipes, offener Luftfilter, Mini-Blinker – nix Original. Hat mir gefallen.“ Aber natürlich war das erst der Anfang.
Ein Mini Ape kam dran – gelötet mit Hilfe eines Kumpels. Eine Sissybar, selbst ausgedacht, von einem Freund geschweißt. „Ich hab nur die Form ausgesucht und die Stahlstücke geschnitten“, sagt sie bescheiden. Die vorverlegten Rasten montierte sie direkt nach dem Kauf selbst. „Die Kupplung war komisch, und meinen Führerschein hatte ich noch nicht ganz fertig – meine erste echte Fahrt mit dem Ding war also auf dem Weg vom Mechaniker zurück. Ich sag mal so: Adrenalin pur.“ Für die tieferen Umbauten musste gespart werden. Neue Sitzbank. 6“-Over-Gabeln. Später kam der Teardrop-Luftfilter von S&S dazu – ein Must-Have für echten Oldschool-Vibe. „Vor dem Umzug zurück nach Deutschland hab ich nochmal das ganze Frontend getauscht – gegen eines von einer 2016er Sporty. TÜV-Angst, du weißt.“ Der Wechsel brachte auch das 21-Zoll-Speichenrad vorne. Ein kleiner Tanklift folgte. Alles Stück für Stück. „Kein Showbike. Mein Bike. Mit Macken und Narben.“
Therapie mit Werkzeugkoffer
Das Schrauben ist für Lenny mehr als Notwendigkeit. Es ist Therapie – manchmal zumindest. „Es kann auch richtig frustrierend sein“, gibt sie zu. „Wenn dir beim dritten Mal die gleiche Schraube abreißt und du schon alles an Werkzeug geworfen hast, was du findest – ja, dann ist’s auch mal scheiße.“ Sie schraubt aktuell in der Tiefgarage oder bei den Eltern im Garten. „Improvisieren gehört dazu. Aber wir planen eine richtige Schraubergarage mit Freunden nächstes Jahr.“
Zwischen Tankstellen und Totenwinkeln
Gefahren ist sie viel – aber am meisten vermisst sie London. „Da bin ich jeden Tag mit dem Bike zur Arbeit. Durch die Rushhour, kreuz und quer, laut und frei. Niemand stört sich an deinem Auspuff, niemand meckert, wenn du dich vorbeischlängelst. Ich vermiss das sehr.“
Aber auch die langen Touren bleiben hängen. „Chopper Forest letztes Jahr war mega – mit Freunden unterwegs sein, abends am Feuer sitzen, das gehört einfach dazu.“ Und dann war da noch diese Geschichte mit der ADAC-Nacht: „Sommer, über 38 Grad, Fähre nach Holland, dann Richtung Norden zu meinen Eltern. Nachts liegen geblieben, Versicherung konnte keine Unterkunft finden. Der Abschlepper kam, konnte auch nix reißen. Am Ende hab ich im ADAC-Auto gepennt, neben der Tankstelle. Hat was von Abenteuerurlaub – aber mit weniger Romantik.“
Die Szene, der Style, der Sound
Was Lenny an der Szene liebt? „Die Entspanntheit. Viele coole Leute, viele coole Karren.“ Was sie nervt? „TÜV. Alles wird reguliert. Richtiges Custom ist kaum noch machbar, und das ist frustrierend. In UK ist das alles lockerer.“ Ihr Stil? Oldschool, keine Frage. „Mattschwarz? Nein, danke. Ich steh auf Chrom. Und auf Sachen, die man versteht – die mechanisch sind, nicht digital. Der Vergaser klingt besser, riecht besser, lebt irgendwie mehr.“
Kein Bullshit, nur Bock
Wenn’s um Prüfstellen geht, spielt Lenny bisher fair. „Hab dem TÜV-Menschen noch nix vorgelogen“, meint sie grinsend. Aber wer weiß, was noch kommt. Und der Soundtrack zu ihrer Geschichte? „Heading Out to the Highway von Judas Priest. Weil er dieses Gefühl einfängt – offen Straße, keine Verpflichtung, einfach los. Das ist für mich Freiheit.“
Kein Lack nur Leben
Lenny ist der Beweis, dass Schrauben kein Männerding ist, sondern eine Frage der Haltung. Kein Glamour, kein Gehabe – nur Leidenschaft, Werkzeug und der Wille, selbst Hand anzulegen. Ihre Story? Echt, laut und mit reichlich Chrom unterm Fingernagel.
One response
Soooo so cool!!!
geil geschriebener Bericht, geile Story, Lenny rockt!